Carl Spitta, Theologe und Dichter

Carl Johann Philipp Spitta gilt als eine der führenden Persönlichkeiten der Erweckungsbewegung in Niedersachsen, die im 19. Jhd. ganz wesentlich eine Singbewegung war, in der das Interesse am geistlichen Lied neu erwachte. Nach Burgdorf kam er erst im Jahre 1859. Wenige Wochen nach seiner Amtseinführung erkrankte Spitta an einem Fieber mit Ohnmachtsanfällen und starb am 28.09.1859.

Geburtsname: Spitta
Vorname(n): Carl Johann Philipp
geboren: 01.08.1801 in Hannover
gestorben: 28.09.1859 in Burgdorf
Grabmal: 242
Vater: Lebrecht Wilhelm Spitta
Mutter: geb. Rebekka Lehrsen, umbenannt in Henriette
Charlotte Fromme, zweite Ehefrau des Lebrecht Spitta

Geschwister:
Antoinette Friederike Charlotte, *10.12.1791
Wilhelm Carl Georg, *14.04.1794
Heinrich Helmerich Ludwig, *14.04.1799
Karl Ludwig, *1805

Ehefrau:
Johanna Maria Magdalena Hotzen, *25.09.1818

Kinder:
- Carl Heinrich Ludwig, 10.04.1840, Kaufmann
- Julius August Philipp, 27,12.1841, Musik-wissenschaftler und Bach-Biograph
- Ludwig Otto Adalbert, 27.11.1845, Pfarrer
- Elisabeth Friederike Alma, 09.04.1847
- Friedrich Adolf Wilhelm, 10.01.1852, Theologe, Prof. in Strasburg
- Wilhelm Conrad Rudolf, 14.06.1853, Orientalist, Bibliothekar in Kairo, genannt „Spitta-Bey“
- Margarethe Friederike Clara, 16.02.1855

Beruf:
Zunächst Uhrmacherlehre, dann lutherischer Theologe und Dichter

Stationen:
Hannover, Göttingen, Lüne, Sudwalde, Hameln, Wechold, Wittingen, Peine, Burgdorf

Burgdorf 1859 Superintendent in Burgdorf


Bedeutung

Carl Johann Philipp Spitta gilt als eine der führenden Persönlichkeiten der Erweckungsbewegung in Niedersachsen, die im 19. Jhd. ganz wesentlich eine Singbewegung war, in der das Interesse am geistlichen Lied neu erwachte. Er wurde vor allem als Dichter des evangelischen Kirchenliedes weit über seinen pastoralen Wirkungskreis hinaus bekannt und hat mit seinen geistlichen Liedern die Erweckungsfrömmigkeit in weite Schichten des Volkes getragen. Die volkstümliche Kraft der Lieder Spittas lag wesentlich in der sich darin ausdrückenden persönlichen Glaubenserfahrung begründet. Noch heute zeugen diese Lieder, die bereits zu seinen Lebzeiten eine enorme Verbreitung und Beliebtheit erlangten, von der authentischen Frömmigkeit ihres Dichters. Zu seinen bekanntesten Liedern zählen „Freuet euch der schönen Erde“ (1827, EG 510) und „Bei dir, Jesu, will ich bleiben“ (EG 406).
 

Bedeutung für Burgdorf

Im Juli 1859 übernahm Spitta die Stelle des Superintendenten in Burgdorf, wo er aber bereits  nach wenigen Monaten am 28. September 1859 einem Herzkrampf erlag. Der Platz hinter der St.Pankratiuskirche wurde nach ihm benannt. Vor der Superintendentur erinnert die lebensgroße Figur eines Harfenspielers an Spittas Liedersammlung Psalter und Harfe und im großen Saal des Gemeindehauses Gartenstraße zeigt das der Wissenschaft zugedachte Glasfenster Philipp Spitta.

Lebensgeschichte

Als viertes von 5 Kindern des Kaufmanns und Buchhalters Lebrecht Wilhelm Spitta und dessen zweiter Frau Henriette Charlotte Fromme, wurde Carl Johann Philipp Spitta am 1. August 1801 in der Kleinen Packhofstraße 4 Hannover geboren. Spittas Mutter entstammte einer jüdischen Familie aus Goslar und trug bis zu ihrer christlichen Taufe den Namen Rebecca Lehrsen. Spittas Vorfahren väterlicherseits waren calvinistische Tuchfabrikanten, die unter den Wirren der Verfolgung im 16. Jahrhundert aus dem französischen Verviers in die Pfalz emigrierten.

Der „gutherzige, verträgliche und phantasiereiche Knabe“ besuchte das Lyceum in Hannover, musste es aber wegen einer schweren Haut- und Lymphknotenerkrankung wieder verlassen. Nach seiner Konfirmation wurde er in eine Uhrmacherlehre gegeben. Seine Begabungen lagen aber auf anderem Gebiet und so studierte er heimlich Geschichte und Latein und las in der Bibel. In der Natur fand er Ruhe und Inspiration für erste kleine Gedichte.

Erst nachdem 1818 sein geliebter, 13-jähriger Bruder Ludwig, der ursprünglich von den Eltern für das Theologiestudium vorgesehen war, beim Baden ertrank, durfte Spitta die ungeliebte Uhrmacherlehre abbrechen und sich auf ein Theologiestudium vorbereiten, das er 1821 in Göttingen begann. Dort schloss er sich einer Burschenschaft an und gehörte bald zur „Tafelrunde“ eines poetischen Freundeskreises, zu dem ab 1824 auch Heinrich Heine gehörte. Hier entstand ein erstes „Sangbüchlein der Liebe für Handwerker“. Heine schrieb über seine Zeit in Göttingen: „Ich lebe hier sehr still, arbeite viel und werde unausstehlich gelehrt. So kann der Mensch sinken!“ Heine empfand große Sympathie für Spitta und lieh dem finanziell schlecht gestellten Freund Geld für eine Harfe.

Nach bestandenem 1. Examen fand er keine Aufnahme in einem Predigerseminar und verdingte sich als Hauslehrer beim Amtmann Jochmus in Lüne bei Lüneburg. Hier fand er die Muße, einen Großteil seiner über 300 geistlichen Lieder zu schreiben. Sein Dichterfreund Heinrich Heine besuchte ihn hier mehrfach, wenn er bei seinen Eltern in Lüneburg war, in dieser „Residenz der Langeweile“, auf deren Rathaus ein „Kulturableiter“ montiert sei. Heine schrieb über Spitta: „Er ist ein Mensch, worin Poesie ist, und ich achte ihn!“ Dennoch verletzte Heines scharfe Zunge Spittas religiöse Gefühle und nach einer hämischen Bemerkung über ein Kruzifix kam es zum Zerwürfnis und Spitta bat Heine, nicht wieder zu kommen. Ein anderer Freund aus dem Göttinger Dichterkreis war Adolf Peters, auf dessen Drängen und mit dessen Hilfe Spitta 1833 seine Liedersammlung „Psalter und Harfe“ herausgab, deren großer Erfolg über viele Auflagen hinweg andauerte.

1828 kam Spitta als Hilfsgeistlicher nach Sudwalde und wurde 1830 Vikar, Garnisonsprediger und Gefängnisseelsorger in Hameln. Hier wurde er aber von rationalistisch gesinnten Pastorenkollegen angefeindet und verleumdet, was nach seiner Heirat mit Marie Hotzen (1837) zu seiner Versetzung nach Wechold bei Nienburg führte. Hier engagierte er sich stark in der Gemeindearbeit und pflegte das Verhältnis von Kirche und Schule. Nach 10 sehr erfolgreichen Jahren wurde er 1847 als Superintendent nach Wittingen berufen. Die Revolution von 1848/49 („ein Werk des Teufels“) gab den Anstoß zur Gründung eines Prediger- und Lehrervereins, um eine Aufhebung der kirchlichen Aufsicht über die Gymnasien abzuwenden. Dabei setzte sich Spitta für die Nutzung des lutherschen Katechismus im Unterricht ein und sprach sich für eine bessere Besoldung der Schullehrer aus. Seine „Brandpredigt“ nach dem verheerenden Wittinger Stadtbrand 1852 machte er die Notlage im ganzen Land bekannt und regte eine allgemeine Kollekte zu Gunsten der Abgebrannten an.

1853 wurde Spitta als Superintendent nach Peine berufen, weil dort „die kirchlichen, sittlichen und sozialen Verhältnisse eine ausgezeichnete Kraft erforderten“, wie es in einem Konsitoriumsbericht heißt. Tatsächlich geriet Spitta „in eine Wüste“ (Münkel) und kam um unerfreuliche Erfahrungen nicht herum. Ein Hauptproblem war offenbar der überaus laxe Umgang mit dem 3. Gebot, der „Sabbathsordung“. So wehrte sich Spitta gegen das Peiner „Freischießen“. Zwar gönnte er der Gemeinde die Freuden eines Volksfestes und die damit verbundenen sonntäglichen Lustbarkeiten, jedoch nicht während der Gottesdienstzeiten. Er stach damit in ein Wespennest und löste heftigsten Widerstand der Befürworter des traditionellen Freischießens aus, bis hin zu eingeworfenen Fensterscheiben und einem Teufels-Graffito an der Kirchentür.

1855 verlieh ihm die Theologische Fakultät Göttingen die Ehrendoktorwürde. Zunehmende Kosten für die Ausbildung seiner Kinder bewogen Spitta 1959 auf die um 200 Rth. besser besoldete Superintendentur in Burgdorf zu wechseln. An den Abt in Loccum schrieb er: „Es soll in Burgdorf billiger zu leben sein, während wir hier über Theuerung klagen müssen“.

Am 13. Juli 1859 bezog Spitta mit seiner Familie das Haus hinter der St. Pankratiuskirche und wurde am 24. Juli eingeführt. In Burgdorf machte er sich mit großem Elan an die Arbeit, besuchte in kürzester Zeit 11 Dörfer und hielt eine Kirchen- und Schulvisitation ab. Wenige Wochen nach seiner Amtseinführung erkrankte Spitta an einem Fieber mit Ohnmachtsanfällen und starb am 28.09.1859.

Seine glaubensstarke Witwe, die nun allein für 7 Kinder zu sorgen hatte, veranlasste die Inschrift auf der Rückseite seines Grabkreuzes: „Die da lehren werden leuchten wie des Himmels Glanz; und die viele zur Gerechtigkeit weisen wie die Sterne immer und ewiglich.“ (Daniel 12,3). Sein Sohn Philipp Spitta wurde ein bedeutender Bach-Biograph, Ludwig wurde als Hymnologe und Liturg bekannt.
 

Quellen